Interview
Ernährungsexpertin und Diätologin
Angelika Kirchmaier
1.Wie sind sie auf die Idee gekommen Rezepte so umzugestalten
das man Sie nur noch mit der Gabel rühren muß und auch die Handhabung ist um
einiges einfacher geworden.
Ich habe das Handwerk von der Pieke auf gelernt (Mein Abi
absolvierte ich gemeinsam mit meinem Kochabschluss an einer Tourismusschule) .
Mich hat schon in der Ausbildungszeit gestört, dass wir immer 1000 Schüsseln,
unzählige Messbecher und X Löffel benötigten um irgendetwas heraus zu schöpfen,
dass dann sowieso zur Hälfte im Messbecher oder am Löffel hängen blieb (Öl,
Honig, Joghurt…). Dazu wollte ich schon damals nicht ständig die Mixstäbe
wechseln und dazwischen abwaschen. Also habe ich viel herum experimentiert,
(viele Fehlversuche erlitten L), bis es dann nach Jahren irgendwann reibungslos
klappte. Ob Brotteig, Kekse, diverse pikante Speisen, vieles lässt sich mit meiner
„Gabeltechnik“ mühelos und in kürzester Zeit zubereiten. Im Frühjahr wird ein
Buch zum Thema Gartenküche erscheinen. Auch hier spielt die Gabel eine nicht
unbedeutende Rolle ;-)
Seit mittlerweile 17 Jahren lehre ich nebenberuflich im tertiären Bildungssektor und meine Devise
lautet auch dort „Jeder der mehr als eine Schüssel pro Gericht benötigt, fällt
durch ;-)“
2. Worin besteht
der Unterschied von Weinsteinbackpulver
zu Handelsüblichem Backpulver?
Backpulver benötigt für die volle Triebwirkung Säure. Das
kann zum einen ein Phosphat sein, zum anderen Weinstein. Während Weinstein
harmlos ist, kann Phosphat in größeren Mengen Knochenschwund und
Kalkablagerungen fördern und möglicherweise auch Hyperaktivität verursachen
(vgl. Auszug aus der aktuell gültigen E-Nummernliste)
Auszug aus der derzeit gültigen E-Nummernliste
E 450 i, ii, iii Dinatrium-,
Trinatrium-,Tetranatriumdiphosphat Die Aufnahme großer Mengen kann zu
Knochenschwund und Kalkablagerungen führen und möglicherweise Hyperaktivität
verursachen
E 336 i Monokaliumtartrat (Weinstein) unbedenklich
http://media.arbeiterkammer.at/noe/pdfs/broschueren/E-Nummernliste_2014_web_2.pdf
3. Wie kommt man
dazu Backbücher zu schreiben bzw. woher nimmt man die Ideen?
Vgl. Frage 1
Woher ich die Ideen nehme? Ich kaufe alle Zutaten ein, die
meiner Meinung nach zu einem bestimmten Thema passen. Dann wird experimentiert.
Ein paar Grundmuster machen es möglich, dass die „Gelingquote“ relativ hoch
ist. Aber natürlich gibt es auch Tage, da produziere mehr nur Nieten als
leckere Gerichte. Einmal dachte ich auch, ich hätte DEN Nusskuchen entwickelt,
nur bei meinen Testessern viel der Kuchen durch. Er reihte sich auf Platz 40…
von 40 neu entwickelten Nusskuchen. So wanderte nicht MEIN Nusskuchen in mein
Buch, sondern der Favorit der Testesser
(Anmerkung: alle Gerichte werden vorab mindestens 4 x
ausprobiert und von Testessern getestet. Nur die Favoriten schaffen es in die
Bücher, wobei sich der Geschmack der Testesser nicht immer mit meinem deckt J,
aber das ist auch wichtig so, sonst wären die Rezepte ja alle nur nach meinem
Geschmack und nicht nach dem Geschmack der Allgemeinheit)
4.Haben sie ein Lieblingsrezept?
Das ist eine sehr schwere Frage, da meine Favoriten ständig
wechseln. Bei den Keksen sind es momentan die Knuspis. Davon könnte ich jeden
Tag essen.
4. Wer sind Ihre
Testesser?
Leute, die meine Kurse besuchen und sich freiwillig melden,
Freunde, Verwandte, meine Studenten, Schüler... wer Lust hat, selber mit dabei
zu sein, kann mich gerne kontaktieren. Als nächstes stehen Kinderrezepte auf
dem Programm. Hier sind vor allem kleine Testesser und Testkocher gefragt.
5. Ist Ihnen ein
Rezept auch schon mal in die Hose gegangen?
Ja natürlich, in der Testphase immer wieder. Vgl. Frage 3.
Gerade bei den Rezepten mit Zucker gibt es immer eine Niete, weil ich die
gerade noch erträgliche Zuckermenge nur durch Ausprobieren ermitteln kann.
7. Sie haben ja auch beim ORF eine eigene Sendung, wäre es
nicht auch einmal eine Option ins Deutsche Fernsehen zu senden?
Den nicht jeder
hier kann den ORF empfangen.
Ich bin noch nie gefragt worden ;-)
9. Wie viele Sorten an Plätzchen backen Sie zur
Weihnachtszeit?
Um die 100, manchmal auch mehr. Ich habe mir zwar heuer beim
Erstellen des Keksbackbuches geschworen, dass ich heuer keine Kekse backe (für
das Buch musste ich allein für das Shooting über 5000 Kekse backen, über 100
Sorten x jeweils eine Partie und das in zwei Tagen), aber meine Kinder konnten
mich erweichen, die Keksbackzutaten stehen schon parat ;-)
10. Haben Sie ein großes Vorbild in der Koch und
Bäckerszene?
Nein! Ich halte nichts von Vorbildern, jeder muss seinen
eigenen Weg gehen und sich dabei pudelwohl fühlen, nur das ist authentisch.
Aber es gibt sehr viele Menschen, die ich sehr schätze. In der Kochszene ist
das z. B. eine in Deutschland wenig bis unbekannte Frau, Maria Drewes, schon
lange im Ruhestand. Als Autorin diverser Kochbücher punktet Frau Drewes nicht
nur durch ihr unerschöpfliches know how, sondern besonders durch
Menschlichkeit. Sie hat gerade im Bundesland Tirol Kochgeschichte geschrieben
und das auf eine ganz besonders liebenswerte Art.
11. Bei keinem Ihrer Rezepte sind kj oder Kcal ist das
beabsichtigt?
Um ehrlich zu sein findet man die Nährwertangaben im Anhang.
Das ist aber nur bei den Büchern aus dem Pichler Verlag der Fall, weil das der
Verlag so möchte. Der Vorteil – es haben mehr Rezepte Platz und es wird etwas
übersichtlicher.
Bei allen anderen Büchern findet man die Nährwertangaben
direkt bei den Rezepten.
Da ich ja nicht nur Köchin bin, sondern auch
Gesundheitswissenschafterin und Diaetologin, ist es mir ein besonderes
Anliegen, dass meine Rezepte auch gesund sind, sie dürfen nur nicht „gesund“
schmecken. Ich betreibe seit vielen Jahren eine Praxis für
ernährungsmedizinische Therapie und ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren,
wenn ich einerseits ungesunde Rezepte auf den Markt bringe und andererseits
dann die Folgeschäden in meiner Praxis behandle. Daher orientiere ich mich bei
all meinen Rezepten an den jeweils aktuell gültigen und wissenschaftlich
fundierten Richtlinien der gesunden Ernährung (DGE, DACH-Referenzwerte etc.)
und achte darauf, dass meine Kreationen im Vergleich deutlich kalorienärmer und
damit figurschmeichelnder ausfallen.
Übrigens, die „ungesunde“ Deko, die in Minimengen die Kekse
ziert, hat auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Eine gesunde Deko
verleitet zum Mehressen, eine ungesunde lässt uns sparsamer zugreifen. Denn
auch für Gesundes gilt, zu viel Gesundes schlägt sich auch irgendwann auf die
Hüften, daher mussten hier die Tricks aus der Ernährungsmedizin her halten ;-)
und zu guter
Letzt
12. was halten Sie von den Veganen Trend?
Eine logische Folge. Das was derzeit im Bereich der Tiermast
passiert – Stichwort Massentierhaltung, ist einfach nur abscheulich.
Dass Menschen, die nicht die Gelegenheit haben, Produkte von
extensiv gehaltenen Tieren zu bekommen, vegan essen möchten, ist durchaus
nachvollziehbar. Der derzeitige Trend und die Hoffnung, dass man damit endlich
seine unliebsamen Kilos oder Wehwehchen loswird, ist wohl auch Motivation so
manchen Veganers.
In Bezug auf die Gesundheit gibt es einige Problemfelder, z.
B. Vitamin B 12. Wer vegan leben möchte, sollte sich auf jeden Fall von einem
an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Experten, also einer
fachkompetenten Person, beraten lassen. Wer seine Gesundheit in die Hand von
selbsternannten oder medial hochgejubelten Pseudoexperten legt, muss sich
bewusst sein, dass er die Rechnung erst nach ca. 10 Jahren präsentiert bekommt,
denn so lange kann es dauern, bis die ersten Folgeschäden zur Geltung kommen.
Bis sie gravierend werden, kann noch viel länger dauern.
Meine persönliche Meinung: Wir wissen im Moment alle noch
nicht, wie sich eine vegane Ernährung tatsächlich auf Menschen auswirkt, die –
ich darf es salopp so nennen – einen mitteleuropäischen Stoffwechsel aufweisen.
Man weiß ja, dass nicht alle auf der Welt genau gleich verstoffwechseln. Je
nach Umweltbedingungen ergeben sich teils deutliche Unterschiede, bestes
Beispiel ist die Spaltung von Milch durch das Enzym Laktase, das nur sehr wenige
Bevölkerungsgruppen bis ins hohe Alter behalten und auch gut nutzen können.
Die DGE warnt vor einer veganen Ernährung und zwar für
Babys, Kinder, Schwangere, Senioren und wohl auch schwerkranke Menschen.
Gestützt wird diese Empfehlung durch etliche Studien. Nona halten die Anhänger
der veganen Ernährung dagegen. Es wird also gematcht. Veganer bevorzugen nicht
selten Untersuchungen aus anderen Bevölkerungsgruppen, aber kann man diese
Untersuchungen tatsächlich auf uns Mitteleuropäer ummünzen und wie „fehlerfrei“
sind diese Studien? In spätestens der nächsten Generation werden wir wissen, ob
und wenn ja welche Auswirkungen eine vegane Ernährung auf uns Menschen hat. Wie
sich ungesunde Ernährungsweisen und im Vergleich dazu eine gesunde Ernährung
auswirken, haben wir viele Jahre geübt. Wir wissen, dass uns ungesundes Essen
krank macht und gesundes gesund hält. Ob man vegan als gesundheitliche
Alternative benötigt? (Gesunde
Ernährung: min. 3 x eine Portion Obst/d, min. 3 x 1 Portion Gemüse/Salat/d,
min. 3 Port. „Vollkorn“ oder Kartoffeln oder Hülsenfrüchte/d, 3 Portionen
Milchprod./d und pro Woche max. 3 handtellergroße – nicht handflächengroße!
Portionen Fleisch inkl. aller Fleischprodukte – entspricht ca. 1,5 - 2 Mahlzeiten, 3 Eier und 2 Portionen Fisch,
zum Kochen Raps- oder Olivenöl und für den Salat kaltgepresste Öle – alle Öle
in moderaten Mengen)
Vegan bedeutet nicht automatisch ökologisch und schon gar
nicht automatisch gesund. Viele der veganen Produkte, die heute im Handel
erhältlich sind, enthalten eine Fülle an Zusatzstoffen, zugesetzten Aromen etc.
Der Unterschied zu herkömmlichen
Convenienceprodukten liegt oft darin, dass nicht Tiere ausgebeutet
werden, sondern Menschen, die für Hungerlöhne in fernen Kontinenten Soja,
Weizen etc. ernten müssen.
Wer sich also aus ethischen Gründen vegan ernähren möchte,
sollte sich meiner Ansicht nach auch um die Herkunft und Verarbeitung der
veganen Produkte Gedanken machen.
Denn genau so wie bei tierischen Lebensmitteln gilt auch
hier, dass man nur Produkte aus ökologischem und ethisch vertretbarem Anbau
verwenden und die Produkte so unverarbeitet wie möglich einkaufen und dann
selber weiter verarbeiten sollte.
Auf die religiösen Gesichtspunkte bin ich hier bewusst nicht
eingegangen, da sich der momentane Trend kaum auf religiöse Ereignisse, sondern
eher auf ethische stützt,
Persönlich glaube ich, dass der Trend nach spätestens 5 – 10
Jahren wieder abflachen wird.
Meine Wünsche:
Ein ressourcenschonender Umgang mit allen Produkten auf
allen Ebenen
Bsp. Lebensmittel
Deutlich weniger Fleischkonsum und Konsum von tierischen
Produkten in der gesamten Bevölkerung und wenn tierische Produkte, z. B.
Fleisch, dann nur von Tieren aus artgerechter Haltung. Das unterstützt nicht
nur unsere Gesundheit, sondern ist auch ethisch vertretbarer. (in Bezug auf die
gesundheitliche Wirkung – Inhaltsstoffe - besteht ein riesen Unterschied
zwischen Tieren aus artgerechter Tierhaltung und Masttieren, z. B. im Bereich
Arachidonsäure => Rheuma, gesättigten Fettsäuren => KHK, Adipositas,
Cholesterin, intramuskulärer Fettanteil etc. – aber das wäre eine andere
Geschichte)
Weg von diesem optisch Perfekten! Z. B. Jeder Apfel im Regal
muss gleich groß sein, die Farbe wird über einen Farbscanner ermittelt, wenn
ein Apfel nicht in das Schema passt, fällt er durch. Ist die Karotte krumm, mag
man sie nicht, ist ja optisch nicht perfekt. Mein Motto bei all meinen Kursen
„Mut zur Hässlichkeit!“.
Weg von diesem „mindestens haltbar bis“ Wahn: Ein Produkt
ist nicht verdorben, wenn das MHD abgelaufen ist, sondern wenn es verdorben
riecht, schmeckt oder aussieht. Für den Menschen gefährliche Produkte werden
ohnehin nicht mit MHD gekennzeichnet, sondern mit „zu verbrauchen bis“. Anstatt
uns Gedanken über das MHD zu machen,
sollten wir wieder anfangen unsere Sinne zu schulen, denn ein Lebensmittel kann
auch vor Ablauf des MHD verdorben sein.
Liebe Angelika Kirchmaier
vielen Dank für das tolle Interview bei dem ich auch noch was lernen durfte :)
Herzliche Grüße
Carmen Benner
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