Dienstag, 18. November 2014

Interview mit Angelika Kirchmaier

Interview                                                                          

mit der erfolgreichen
Ernährungsexpertin und Diätologin
Angelika Kirchmaier



1.Wie sind sie auf die Idee gekommen Rezepte so umzugestalten das man Sie nur noch mit der Gabel rühren muß und auch die Handhabung ist um einiges einfacher geworden.

Ich habe das Handwerk von der Pieke auf gelernt (Mein Abi absolvierte ich gemeinsam mit meinem Kochabschluss an einer Tourismusschule) . Mich hat schon in der Ausbildungszeit gestört, dass wir immer 1000 Schüsseln, unzählige Messbecher und X Löffel benötigten um irgendetwas heraus zu schöpfen, dass dann sowieso zur Hälfte im Messbecher oder am Löffel hängen blieb (Öl, Honig, Joghurt…). Dazu wollte ich schon damals nicht ständig die Mixstäbe wechseln und dazwischen abwaschen. Also habe ich viel herum experimentiert, (viele Fehlversuche erlitten L), bis es dann nach Jahren irgendwann reibungslos klappte. Ob Brotteig, Kekse, diverse pikante Speisen, vieles lässt sich mit meiner „Gabeltechnik“ mühelos und in kürzester Zeit zubereiten. Im Frühjahr wird ein Buch zum Thema Gartenküche erscheinen. Auch hier spielt die Gabel eine nicht unbedeutende Rolle ;-)
Seit mittlerweile 17 Jahren lehre ich nebenberuflich  im tertiären Bildungssektor und meine Devise lautet auch dort „Jeder der mehr als eine Schüssel pro Gericht benötigt, fällt durch ;-)“

2.     Worin besteht der Unterschied von  Weinsteinbackpulver zu Handelsüblichem Backpulver?

Backpulver benötigt für die volle Triebwirkung Säure. Das kann zum einen ein Phosphat sein, zum anderen Weinstein. Während Weinstein harmlos ist, kann Phosphat in größeren Mengen Knochenschwund und Kalkablagerungen fördern und möglicherweise auch Hyperaktivität verursachen (vgl. Auszug aus der aktuell gültigen E-Nummernliste)



Auszug aus der derzeit gültigen E-Nummernliste

E 450 i, ii, iii Dinatrium-, Trinatrium-,Tetranatriumdiphosphat Die Aufnahme großer Mengen kann zu Knochenschwund und Kalkablagerungen führen und möglicherweise Hyperaktivität verursachen

E 336 i Monokaliumtartrat (Weinstein) unbedenklich

http://media.arbeiterkammer.at/noe/pdfs/broschueren/E-Nummernliste_2014_web_2.pdf



3. Wie kommt man dazu Backbücher zu schreiben bzw. woher nimmt man die Ideen?

Vgl. Frage 1
Woher ich die Ideen nehme? Ich kaufe alle Zutaten ein, die meiner Meinung nach zu einem bestimmten Thema passen. Dann wird experimentiert. Ein paar Grundmuster machen es möglich, dass die „Gelingquote“ relativ hoch ist. Aber natürlich gibt es auch Tage, da produziere mehr nur Nieten als leckere Gerichte. Einmal dachte ich auch, ich hätte DEN Nusskuchen entwickelt, nur bei meinen Testessern viel der Kuchen durch. Er reihte sich auf Platz 40… von 40 neu entwickelten Nusskuchen. So wanderte nicht MEIN Nusskuchen in mein Buch, sondern der Favorit der Testesser
(Anmerkung: alle Gerichte werden vorab mindestens 4 x ausprobiert und von Testessern getestet. Nur die Favoriten schaffen es in die Bücher, wobei sich der Geschmack der Testesser nicht immer mit meinem deckt J, aber das ist auch wichtig so, sonst wären die Rezepte ja alle nur nach meinem Geschmack und nicht nach dem Geschmack der Allgemeinheit)

4.Haben sie ein Lieblingsrezept?

Das ist eine sehr schwere Frage, da meine Favoriten ständig wechseln. Bei den Keksen sind es momentan die Knuspis. Davon könnte ich jeden Tag essen.
  
4. Wer sind Ihre Testesser?

Leute, die meine Kurse besuchen und sich freiwillig melden, Freunde, Verwandte, meine Studenten, Schüler... wer Lust hat, selber mit dabei zu sein, kann mich gerne kontaktieren. Als nächstes stehen Kinderrezepte auf dem Programm. Hier sind vor allem kleine Testesser und Testkocher gefragt.

5. Ist Ihnen ein Rezept auch schon mal in die Hose gegangen?

Ja natürlich, in der Testphase immer wieder. Vgl. Frage 3. Gerade bei den Rezepten mit Zucker gibt es immer eine Niete, weil ich die gerade noch erträgliche Zuckermenge nur durch Ausprobieren ermitteln kann.

7. Sie haben ja auch beim ORF eine eigene Sendung, wäre es nicht auch einmal eine Option ins Deutsche Fernsehen zu senden?

    Den nicht jeder hier kann den ORF empfangen.

Ich bin noch nie gefragt worden ;-)

9. Wie viele Sorten an Plätzchen backen Sie zur Weihnachtszeit?

Um die 100, manchmal auch mehr. Ich habe mir zwar heuer beim Erstellen des Keksbackbuches geschworen, dass ich heuer keine Kekse backe (für das Buch musste ich allein für das Shooting über 5000 Kekse backen, über 100 Sorten x jeweils eine Partie und das in zwei Tagen), aber meine Kinder konnten mich erweichen, die Keksbackzutaten stehen schon parat ;-)

10. Haben Sie ein großes Vorbild in der Koch und Bäckerszene?

Nein! Ich halte nichts von Vorbildern, jeder muss seinen eigenen Weg gehen und sich dabei pudelwohl fühlen, nur das ist authentisch. Aber es gibt sehr viele Menschen, die ich sehr schätze. In der Kochszene ist das z. B. eine in Deutschland wenig bis unbekannte Frau, Maria Drewes, schon lange im Ruhestand. Als Autorin diverser Kochbücher punktet Frau Drewes nicht nur durch ihr unerschöpfliches know how, sondern besonders durch Menschlichkeit. Sie hat gerade im Bundesland Tirol Kochgeschichte geschrieben und das auf eine ganz besonders liebenswerte Art.

11. Bei keinem Ihrer Rezepte sind kj oder Kcal ist das beabsichtigt?

Um ehrlich zu sein findet man die Nährwertangaben im Anhang. Das ist aber nur bei den Büchern aus dem Pichler Verlag der Fall, weil das der Verlag so möchte. Der Vorteil – es haben mehr Rezepte Platz und es wird etwas übersichtlicher.

Bei allen anderen Büchern findet man die Nährwertangaben direkt bei den Rezepten.

Da ich ja nicht nur Köchin bin, sondern auch Gesundheitswissenschafterin und Diaetologin, ist es mir ein besonderes Anliegen, dass meine Rezepte auch gesund sind, sie dürfen nur nicht „gesund“ schmecken. Ich betreibe seit vielen Jahren eine Praxis für ernährungsmedizinische Therapie und ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, wenn ich einerseits ungesunde Rezepte auf den Markt bringe und andererseits dann die Folgeschäden in meiner Praxis behandle. Daher orientiere ich mich bei all meinen Rezepten an den jeweils aktuell gültigen und wissenschaftlich fundierten Richtlinien der gesunden Ernährung (DGE, DACH-Referenzwerte etc.) und achte darauf, dass meine Kreationen im Vergleich deutlich kalorienärmer und damit figurschmeichelnder ausfallen.

Übrigens, die „ungesunde“ Deko, die in Minimengen die Kekse ziert, hat auch einen wissenschaftlichen Hintergrund. Eine gesunde Deko verleitet zum Mehressen, eine ungesunde lässt uns sparsamer zugreifen. Denn auch für Gesundes gilt, zu viel Gesundes schlägt sich auch irgendwann auf die Hüften, daher mussten hier die Tricks aus der Ernährungsmedizin her halten ;-)
  
      und zu guter Letzt
  
12. was halten Sie von den Veganen Trend?

Eine logische Folge. Das was derzeit im Bereich der Tiermast passiert – Stichwort Massentierhaltung, ist einfach nur abscheulich.

Dass Menschen, die nicht die Gelegenheit haben, Produkte von extensiv gehaltenen Tieren zu bekommen, vegan essen möchten, ist durchaus nachvollziehbar. Der derzeitige Trend und die Hoffnung, dass man damit endlich seine unliebsamen Kilos oder Wehwehchen loswird, ist wohl auch Motivation so manchen Veganers.

 In Bezug auf die Gesundheit gibt es einige Problemfelder, z. B. Vitamin B 12. Wer vegan leben möchte, sollte sich auf jeden Fall von einem an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Experten, also einer fachkompetenten Person, beraten lassen. Wer seine Gesundheit in die Hand von selbsternannten oder medial hochgejubelten Pseudoexperten legt, muss sich bewusst sein, dass er die Rechnung erst nach ca. 10 Jahren präsentiert bekommt, denn so lange kann es dauern, bis die ersten Folgeschäden zur Geltung kommen. Bis sie gravierend werden, kann noch viel länger dauern.

Meine persönliche Meinung: Wir wissen im Moment alle noch nicht, wie sich eine vegane Ernährung tatsächlich auf Menschen auswirkt, die – ich darf es salopp so nennen – einen mitteleuropäischen Stoffwechsel aufweisen. Man weiß ja, dass nicht alle auf der Welt genau gleich verstoffwechseln. Je nach Umweltbedingungen ergeben sich teils deutliche Unterschiede, bestes Beispiel ist die Spaltung von Milch durch das Enzym Laktase, das nur sehr wenige Bevölkerungsgruppen bis ins hohe Alter behalten und auch gut nutzen können.

Die DGE warnt vor einer veganen Ernährung und zwar für Babys, Kinder, Schwangere, Senioren und wohl auch schwerkranke Menschen. Gestützt wird diese Empfehlung durch etliche Studien. Nona halten die Anhänger der veganen Ernährung dagegen. Es wird also gematcht. Veganer bevorzugen nicht selten Untersuchungen aus anderen Bevölkerungsgruppen, aber kann man diese Untersuchungen tatsächlich auf uns Mitteleuropäer ummünzen und wie „fehlerfrei“ sind diese Studien? In spätestens der nächsten Generation werden wir wissen, ob und wenn ja welche Auswirkungen eine vegane Ernährung auf uns Menschen hat. Wie sich ungesunde Ernährungsweisen und im Vergleich dazu eine gesunde Ernährung auswirken, haben wir viele Jahre geübt. Wir wissen, dass uns ungesundes Essen krank macht und gesundes gesund hält. Ob man vegan als gesundheitliche Alternative benötigt?  (Gesunde Ernährung: min. 3 x eine Portion Obst/d, min. 3 x 1 Portion Gemüse/Salat/d, min. 3 Port. „Vollkorn“ oder Kartoffeln oder Hülsenfrüchte/d, 3 Portionen Milchprod./d und pro Woche max. 3 handtellergroße – nicht handflächengroße! Portionen Fleisch inkl. aller Fleischprodukte – entspricht ca. 1,5 -  2 Mahlzeiten, 3 Eier und 2 Portionen Fisch, zum Kochen Raps- oder Olivenöl und für den Salat kaltgepresste Öle – alle Öle in moderaten Mengen)

Vegan bedeutet nicht automatisch ökologisch und schon gar nicht automatisch gesund. Viele der veganen Produkte, die heute im Handel erhältlich sind, enthalten eine Fülle an Zusatzstoffen, zugesetzten Aromen etc. Der Unterschied zu herkömmlichen  Convenienceprodukten liegt oft darin, dass nicht Tiere ausgebeutet werden, sondern Menschen, die für Hungerlöhne in fernen Kontinenten Soja, Weizen etc. ernten müssen.

Wer sich also aus ethischen Gründen vegan ernähren möchte, sollte sich meiner Ansicht nach auch um die Herkunft und Verarbeitung der veganen Produkte Gedanken machen.

Denn genau so wie bei tierischen Lebensmitteln gilt auch hier, dass man nur Produkte aus ökologischem und ethisch vertretbarem Anbau verwenden und die Produkte so unverarbeitet wie möglich einkaufen und dann selber weiter verarbeiten sollte.

Auf die religiösen Gesichtspunkte bin ich hier bewusst nicht eingegangen, da sich der momentane Trend kaum auf religiöse Ereignisse, sondern eher auf ethische stützt,
  
Persönlich glaube ich, dass der Trend nach spätestens 5 – 10 Jahren wieder abflachen wird.

Meine Wünsche:

Ein ressourcenschonender Umgang mit allen Produkten auf allen Ebenen

Bsp. Lebensmittel

Deutlich weniger Fleischkonsum und Konsum von tierischen Produkten in der gesamten Bevölkerung und wenn tierische Produkte, z. B. Fleisch, dann nur von Tieren aus artgerechter Haltung. Das unterstützt nicht nur unsere Gesundheit, sondern ist auch ethisch vertretbarer. (in Bezug auf die gesundheitliche Wirkung – Inhaltsstoffe - besteht ein riesen Unterschied zwischen Tieren aus artgerechter Tierhaltung und Masttieren, z. B. im Bereich Arachidonsäure => Rheuma, gesättigten Fettsäuren => KHK, Adipositas, Cholesterin, intramuskulärer Fettanteil etc. – aber das wäre eine andere Geschichte)

Weg von diesem optisch Perfekten! Z. B. Jeder Apfel im Regal muss gleich groß sein, die Farbe wird über einen Farbscanner ermittelt, wenn ein Apfel nicht in das Schema passt, fällt er durch. Ist die Karotte krumm, mag man sie nicht, ist ja optisch nicht perfekt. Mein Motto bei all meinen Kursen „Mut zur Hässlichkeit!“.


Weg von diesem „mindestens haltbar bis“ Wahn: Ein Produkt ist nicht verdorben, wenn das MHD abgelaufen ist, sondern wenn es verdorben riecht, schmeckt oder aussieht. Für den Menschen gefährliche Produkte werden ohnehin nicht mit MHD gekennzeichnet, sondern mit „zu verbrauchen bis“. Anstatt uns Gedanken über das MHD zu  machen, sollten wir wieder anfangen unsere Sinne zu schulen, denn ein Lebensmittel kann auch vor Ablauf des MHD verdorben sein.

Liebe Angelika Kirchmaier
vielen Dank für das tolle Interview bei dem ich auch noch was lernen durfte :)
Herzliche Grüße
Carmen Benner

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen